Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Olaf Scholz,
mit großer Sorge möchten wir Sie auf die Entwicklungen in Georgien aufmerksam machen. Am 28. November kündigte die georgische Regierungspartei „Georgischer Traum“ an, die Bemühungen um die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der EU bis 2028 auszusetzen. Die Ankündigung erfolgte, nachdem das Europäische Parlament die georgischen Parlamentswahlen vom 26. Oktober mit der Begründung verurteilt hatte, sie seien weder frei noch fair gewesen (PACE-Wahlbeobachtungsbericht | Dok. 16079 | 28. November 2024). Mit diesem Schritt verstößt die Regierungspartei „Georgischer Traum“ gegen die georgische Verfassung, in der die Integration in die EU und die NATO als wichtigste außenpolitische Ziele fest verankert sind.
Die Verzichtserklärung der Regierungspartei „Georgischer Traum“ auf die EU-Integration führte zu erneuten Massenprotesten nicht nur in der Hauptstadt Tbilissi, sondern landesweit. Die Proteste werden vor allem von jungen Menschen dominiert, doch protestieren Menschen aller Altersgruppen gegen diese verfassungswidrige Entscheidung der Regierungspartei. Auch SchülerInnen, StudentInnen, Lehrkräfte und Angestellte des öffentlichen Dienstes haben sich der Protestbewegung angeschlossen.
Die Versammlungsfreiheit wird jedoch massiv unter Druck gesetzt: Über 300 Demonstranten wurden bereits verhaftet, mehr als zwei Dutzend wurden verletzt. Das Regime reagiert mit aller Härte und zeigt, dass es keine Rücksicht auf die Grundrechte nimmt.
Mit jedem Schlag gegen die Demonstranten wird der Raum für freie Meinungsäußerung und politische Partizipation enger - ein beunruhigendes Signal für Demokratie und Gerechtigkeit. Diese autoritären Praktiken werden von dem Oligarchen Bidzina Iwanischwili und der Regierungspartei „Georgischer Traum“ veranlasst.
Angesichts des schwerwiegenden Verstoßes gegen die georgische Verfassung durch den „Georgischen Traum“ und der ebenso schwerwiegenden Wahlmanipulationen, die diesem vorausgingen, fordern wir Sie auf, die Wahlergebnisse in Georgien nicht anzuerkennen.
Eine klare Stellungnahme der Bundesregierung zur Nichtanerkennung der Wahlergebnisse und die Aufforderung des „Georgischen Traums“, die Gewaltanwendung gegen die Demonstranten einzustellen, würde zur Rettung der Demokratie in Georgien beitragen. Mit der Anerkennung der Wahlergebnisse würde Deutschland Bidzina Iwanischwili und seiner Partei „Georgischer Traum“ zur Legitimation verhelfen. Das wäre ein gravierender Fehler, denn Bidzina Iwanischwili und der „Georgische Traum“ etablieren bereits eine Autokratie.
Die Konsolidierung des autoritären Regimes in Georgien führt zur Niederlage der georgischen Gesellschaft und zum Sieg des Kremls in Georgien. Deutschland hat aufgrund seiner besonderen Rolle in Europa und seiner wertebasierten Außenpolitik eine besondere Verantwortung, die Demokraten in Georgien nicht im Stich zu lassen. Die absolute Mehrheit der georgischen Bevölkerung unterstützt die Integration des Landes in die EU. Russland, Bidzina Iwanischwili oder seine Partei dürfen uns diese europäische Zukunft nicht verwehren und das Land in eine totalitäre Vergangenheit zurückführen.
Wir fordern Sie auf, die georgische Gesellschaft in ihrem Streben nach Demokratie und europäischer Integration zu unterstützen und nicht den Autoritarismus in Georgien zu legitimieren. Dazu gehört erstens, dass Deutschland die Wahlergebnisse weiterhin nicht anerkennt. Und zweitens, dass Deutschland über die Verurteilung hinausgeht und nach dem Vorbild der baltischen Staaten und der Ukraine nationale Sanktionen gegen den Oligarchen Bidzina Iwanischwili und seine Führungsriege einführt.
Mit freundlichen Grüßen
- Junge BotschafterInnen von Georgien in der Bundesrepublik Deutschland
- Georgisches Zentrum im Ausland (GZA)
- Alumni-Verein des Internationalen Parlaments-Stipendiums des Deutschen Bundestages (IPS) in Georgien
Junge BotschafterInnen von Georgien in der Bundesrepublik Deutschland
Dr. Mikheil Sarjveladze (2015)
Tsisia Ninikelashvili (2016)
Tamar Tchakvadze (2021)
Tamar Akhaladze (2022)
Tamar Chomakhidze (2023)
Georgisches Zentrum im Ausland (GZA) / Gemeinschaft der in Europa lebenden georgischen Aktivisten (info@gzaeurope.org)
Elguja (Giorgi) Kakabadze Gaga Gogoladze
David Alexidze Salome Kochlamazashvili
Katie Sartania Giorgi Chinchaladze
Giorgi Pachuashvili Luka Bluashvili
Alumni-Verein des Internationalen Parlaments-Stipendiums des Deutschen Bundestages (IPS) in Georgien (ips.alumni.georgia@gmail.com)
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